Besuch aus Schweden

Christel Strobel 1

Christel Strobel

Leitete gemeinsam mit ihrem Ehemann Hans Strobel das Kinderfilmfest von 1983 bis 2005

Beim dritten Kinderfilmfest im Jahr 1985 kamen wir auf die Idee, ob wir nicht die berühmte Kinder- und Jugendbuchautorin Astrid Lindgren nach München locken könnten. Auf unsere Anfrage erfuhren wir, dass sie tatsächlich bereits für eine Lesung in die Internationale Jugendbibliothek in der Blutenburg eingeladen war, wobei der Termin erst später, für den Herbst angesetzt war. Astrid Lindgren ließ uns mitteilen, sie würde gerne zu uns kommen, wenn ihr Besuch in der Internationalen Jugendbibliothek in die Filmfest-Zeit verlegt werden könnte. Das ließ sich organisieren, und so war sie dann auch bei uns!

Die Rechte für einige der Lindgren-Verfilmungen lagen bei der KirchGruppe, weshalb die ein Wörtchen bei der Organisation mitreden wollten, auch, was die Unterbringung von Astrid Lindgren anging. Unsere Gästeorganisation hatte bereits ein sehr schönes Hotel für sie gebucht, aber die KirchGruppe bestand darauf, dass Lindgren im Hotel Vier Jahreszeiten untergebracht wird. Ihr selbst war das gar nicht so wichtig, aber sie hat dann eben dort logiert. Ich erinnere mich auch, dass ein großes Spielwarengeschäft in München mitbekam, dass sie Ehrengast bei uns sein würde. Die haben uns prompt angeboten, mit einem kleinen Betrag ihren Besuch mitzufinanzieren. Dafür sollte sie aber zu einer Werbestunde ins Geschäft kommen… (daraus wurde nichts).

Draußen im Olympiadorf, im Kinderkino im „forum 2“ haben wir dann DIE BRÜDER LÖWENHERZ gezeigt – in Anwesenheit von Astrid Lindgren. Unter all den Verfilmungen ihrer Bücher war das ihr Lieblingsfilm. Der Saal war natürlich proppevoll, aber nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene waren da. Astrid Lindgren hatte damals schon Probleme mit ihren Augen. Mein Mann hat sie in den Raum und zu ihrem Platz geführt, aber sie ließ sich ihre Sehschwäche kaum anmerken, und ich denke auch, dass es kaum jemand bemerkt hat. Lindgren meinte, dass sie zwar nicht mehr so gut sieht, aber anhand der Musik des Films gut mitverfolgen könne, an welcher Stelle im Film man gerade ist. Später hat sie bei einem Podiumsgespräch bereitwillig Auskunft über sich und ihr Werk gegeben. Es gibt da auch ein sehr schönes Foto, auf dem sie ihren Kopf mit der einen Hand stützt und meinem Mann aufmerksam zuhört.

Astrid Lindgren war einfach eine sehr umgängliche, freundliche, sympathische Frau, die aber auch klar ihre Meinung vertreten hat. Zum Beispiel, als es darum ging, dass die Verfilmung von RONJA RÄUBERTOCHTER, die wir auf dem Kinderfilmfest erstmals in Deutschland zeigten, nur für Kinder ab 12 Jahren freigegeben wurde. Dazu muss man wissen: Wenn ein Film zum Zeitpunkt des Kinderfilmfests noch keine Altersfreigabe von der FSK hat, wird er erstmal von einem bayrischen Sonderausschuss speziell für unser Festival geprüft. In diesem Gremium saß regelmäßig ein Vertreter des Landesjugendamts sowie die legendäre Frau Linhart, bis ins hohe Alter aktive Filmkritikerin, zudem jemand von der katholischen Kirche und je eine Vertreterin aus der Kinderbetreuungs- und medienpädogischen Szene. Im Fall von RONJA RÄUBERTOCHTER entschieden sie sich für eine Altersfreigabe ab 12 Jahren. In einem Interview mit Gudrun Lukasz-Aden und mir sagte Astrid Lindgren, dass sie das übertrieben findet. In Schweden war der Film ab 7 Jahre frei gegeben, das hielt sie für genau richtig! Aber nein, bei uns lief er erstmal für Kinder ab 12 Jahren. Später bekam der Film auch eine Kinoauswertung in Deutschland – und erhielt dann eine FSK ab 6 Jahren.

Zwanzig Jahre später, beim 22. Kinderfilmfest 2004, sollte noch mal ein ähnliches Problem auftreten. Wir wollten zur Eröffnung einen wunderbaren Trickfilm von Jacques-Rémy Girerd zeigen, LA PROPHÉTIE DES GRENOUILLES, was auf Deutsch eigentlich DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE heißt. Der Verleih dachte jedoch offenbar, dass das Wort „Prophezeiung“ zu kompliziert für Kinder sei, weshalb der Titel mit DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE übersetzt wurde. In der Kinderradiosendung „Südpolshow“ wurde das auch von den Kinderreportern diskutiert, außerdem gab es viele andere schöne und lustige Reaktionen auf den Film.

Kurz vor der Eröffnung erfuhren wir dann auch noch, dass der bayrische Sonderausschuss der FSK sich für eine Freigabe ab 12 Jahren entschieden hatte – ein totaler Schock für uns! Denn wir hatten gedacht, dass der Film bestimmt auch für jüngere Kinder geeignet sei – ab sechs Jahren hätten wir für absolut möglich gehalten. Wir haben diese erneut hohe Altersfreigabe intensiv diskutiert. Schließlich ließen wir doch recht viele Kinder in die Vorstellung – die meisten kamen ohnehin mit ihren Eltern… Kurz danach brachte der Verleih den Film bundesweit ins Kino und musste vorher die allgemeine Altersfreigabe von der FBW Wiesbaden prüfen lassen. Deren Ergebnis war: „o.A.“ (ohne Altersbeschränkung). Ein Mitglied des bayrischen Sonderausschusses sagte später zu uns: „Da haben wir uns schön blamiert“…

1985 Astridlindgren Eberhardhauff Hansstrobel