ALLER ANFANG IST…

In Hermann Hesses „Stufen“-Gedicht heißt es bekanntermaßen, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Gleichzeitig kann auch vieles schief laufen: „Aller Anfang ist schwer“. Für das FILMFEST MÜNCHEN galt wohl Letzteres, wobei sich eine gewisse Magie bereits mit der ersten Festivalausgabe einstellte...

 

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Das Team des FILMFEST MÜNCHEN 1983 (von links nach rechts): Eberhard Hauff (Leiter), Ulrich Maass (Filmbeschaffung), Maria Ratschewa (Programm Sozialistische Länder), Nic Iljine (Koordination "Europäisches Filmfestival"), Irmi Fischer (Filmlager), Annette Schöningh (Layout), Katharina Hembus (Presse- und Gästebetreuung), Heidemarie Schneider (Assistenz Filmfestleitung); hockend: Florian Richter (Assistenz Organisationsleitung), Uschi Reich (Retrospektive Lina Wertmüller, Filme von Frauen); sitzend: Rolf Thissen (Redaktion), Bodo Fründt (Redaktion), Robert Busch (Organisationsleitung), Karl Beckers (Redaktion).

 

Mehr Aufmerksamkeit für die einheimischen Kinoproduktionen schaffen – das war der Wunsch jener Münchner Filmemacher:innen, die sich 1977 zu einem „1. Münchner Filmtreffen“ im ARRI-Kino trafen. Es war „eine Art Werbeveranstaltung für den immer noch jungen Film der sogenannten Oberhausener Generation“, erinnert sich Eberhard Hauff 1983 in einem Interview mit der Monatszeitschrift „München Mosaik“. Ein von Stadt und Freistaat unterstütztes Festival sollte entstehen. „1978 haben wir gemeinsam mit Dr. Kolbe, unserem Kulturreferenten, beraten, wie es mit der Unterstützung der Landeshauptstadt weitergehen kann. In diesen Sitzungen wurden die konkreten Pläne für ein Filmfest erarbeitet.“

Hauff selbst sollte das Festival leiten, war er doch ein erfahrener Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, der 1975 den Bundesverband Regie mitbegründet hatte und dann Dekaden lang führte. Zudem war er in vielen weiteren Verbänden und Gremien tätig. Dass Hauff für die Leitungsposition nicht zur Verfügung stand, war kein Beinbruch, denn bis zur erste Festivalausgabe sollte es noch dauern.

1979 wurde zwar bereits die Internationale Filmwochen GmbH gegründet, mit der Landeshauptstadt München, dem Freistaat Bayern, dem Bayerischen Rundfunk und der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) als Gesellschaftern. Aber laut Hauff setzte ein „jahrelanges Hin und Her um Leitung und Ziele (ein), das für niemanden etwas gebracht hat außer Verdruss“. Der Verleger und Manager der Münchner Modewoche, Alfred Wurm, wurde zum Chef des zukünftigen Festivals erkoren, was noch ein Grund mehr für eine konzertierte Protestaktion der Münchner Filmschaffenden war:  Gemeinsam fuhren sie 1979 mit einem Sonderzug nach Hamburg und feierten dort ihr eigenes erstes Filmfest – ein deutliches Zeichen gegen die politische Klüngelei in München.

„Das Vorspiel war nicht berauschend. Eher peinlich“, stellt Christian Ude in der Festschrift zum 30. Filmfest-Jubiläum fest. „Von einer Provinzposse war die Rede, von Großmannssucht, beachtlichen Spesen und Machern aus fremden Branchen, von Abstinenz der vor Ort reichlich vertretenen Filmkunst.“ In einem weiteren Artikel berichtet AZ-Filmredakteurin Angie Dullinger davon, dass die von Eberhard Hauff und Volker Schlöndorff entwickelte Festival-Idee „zum CSU-Wahlkampfthema samt grotesker Hybris“ verkam.

Der zweite Festivalleiter, Andreas Ströhl, fasst die damaligen Konflikte nüchterner zusammen: Während es der Landeshauptstadt München „um eine breite Grundversorgung der Bevölkerung mit Kultur“ ging, betrachtete der Freistaat das Festival „wohl zuallererst als sehr preiswerte und effiziente Maßnahme zur Bewerbung der heimischen Film -und Fernsehbranche und ihres Standorts.“ Beide Ansätze, so Ströhl, „erfordern einen ständigen Spagat, der das Filmfest von Beginn an gekennzeichnet hat, und den man als produktive Spannung interpretieren muss.“

1983 konnte es endlich aus der Taufe gehoben werden – dann doch mit Eberhard Hauff als erstem Leiter. Der ursprünglich angedachte Titel „Internationales Münchner Filmfestival“ war da schon verworfen worden, weil er vielleicht auch eine Konkurrenz zu anderen Festivals wie jene in Cannes oder Berlin angedeutet hätte. „Aber das ist vollkommen irrig, keiner von uns will das“, sagte Hauff vor der ersten Festivalausgabe im Gespräch mit dem „München Mosaik“. „Wir wollen etwas Eigenes schaffen, was mit München zu tun hat und mit den Bürgern dieser Stadt.“ So entstand der Titel „Filmfest München“, was die Ausrichtung als Publikumsfestival mit Schwerpunkt auf der einheimischen Produktion unterstrich. „Mein besonderes Anliegen ist der deutsche Film und dessen Förderung“, verkündete Hauff vorab.

Gleichzeitig hatte das Festival den Anspruch, auch einen Einblick in das aktuelle internationale Filmschaffen zu geben. Ulla Rapp, die zuvor beim „Filmverlag der Autoren“ gearbeitet hatte und von Hauff für das erste Filmfest als Kuratorin und Übersetzerin an Bord geholt worden war, legte schon bei der ersten Festivalausgabe den Grundstein für ihre „American Indies“-Reihe: „Zum ersten Festival reiste Timothy Ney an. Er war damals Direktor des Independent Film Projects in New York, DER Plattform für US-Independent-Filme“, erinnert sich Rapp heute. „Tim brachte zwei Filme mit: SUMMER SPELL und CITY NEWS. Das waren die ersten Indies auf dem Filmfest!“

Auch der Eröffnungsfilm brachte internationales Flair nach München: Mit der Komödie LOCAL HERO des schottischen Regisseurs Bill Forsyth startete das erste Filmfest am Samstag, den 18. Juni 1983, im Gloria Palast am Stachus.