RETROSPEKTIVE BONG JOON HO
Mit dem Südkoreaner Bong Joon Ho ehrt das FILMFEST MÜNCHEN nicht nur einen der renommiertesten Filmemacher des aktuellen Weltkinos, sondern auch den frisch gekürten Gewinner der Goldenen Palme in Cannes. Im Rahmen einer Retrospektive wird das Schaffen des 49-jährigen Südkoreaners aus beinahe 20 Jahren präsentiert.
Als Genreregisseur hat er sich im Verlauf seiner bisherigen Karriere höchst erfolgreich mit unterschiedlichsten Themen beschäftigt, wobei Solidarität und Zusammenhalt wiederkehrende Motive sind, die sich durch Bongs filmisches Schaffen ziehen. Im diesjährigen CineMasters-Wettbewerb ist der Regisseur nun mit seinem brandaktuellen Cannes-Gewinner PARASITE vertreten. Auch hier verhandelt Bong kreativ und wendungsreich die Schwierigkeiten des menschlichen Zusammenlebens, sowohl auf familiärer als auch auf gesellschaftlicher Ebene. In diesem allegorischen Drama mit komödiantischen Untertönen stehen die Familie und deren Abgründe im Mittelpunkt. Der Film lässt sich bewusst in keine Genre-Schublade stecken und wartet mit einigen dramaturgischen Überraschungen auf. Die Mischung aus Satire, Suspense und Sozialkritik ist typisch für Bong Joon Ho und zugleich etwas vollkommen Neues. Kurz gesagt: der ideale Ausgangspunkt um sein Werk neu oder wieder zu entdecken.
PARASITE schlägt in Sujet und Tonalität eine Brücke zu Bongs tragikomischen Erstlingswerk HUNDE, DIE BELLEN, BEISSEN NICHT (2000). Dieser bildete seinerzeit den Auftakt einer bemerkenswerten Reihe von Filmen, die – und das ist selten genug – sowohl von der Kritik als auch vom Publikum stets äußerst positiv aufgenommen wurden. Seinen Durchbruch erlangte Bong mit dem gefeierten Polizeithriller MEMORIES OF MURDER, der mit zahlreichen Auszeichnungen auf Festivals weltweit bedacht wurde. In diesem auf wahren Begebenheiten beruhenden Spielfilm ermitteln zwei abgebrühte aber grundverschiedene Kommissare in dem Fall eines Serienmörders. An den bemerkenswerten Erfolg konnte der Autorenfilmer mit dem Katastrophen- und Monsterfilm THE HOST (2006) mehr als anknüpfen: Die aufwändige Produktion avancierte zum erfolgreichsten südkoreanischen Film aller Zeiten und war auch international enorm erfolgreich. Dabei nutzt Bong das Genre-Format des Monsterfilms, um unterschwellig geschickt eine Gesellschaftssatire zu entwerfen. Im Zentrum steht erneut die Familie als Einheit, die sich äußerer Angriffe erwehren muss.
Auf die nächsten beiden Filme, TOKYO! (2008) und MOTHER (Deutschlandpremiere beim FILMFEST MÜNCHEN 2010), folgte mit SNOWPIERCER (2013) Bongs erste englischsprachige Produktion. Der starbesetzte Science-Fiction-Film setzt sich kritisch und zugleich unterhaltsam mit gesellschaftlicher Ungleichheit und den fatalen Folgen globaler Erwärmung auseinander und ist damit ein hervorragendes Beispiel für die Funktionsweise von Bongs Genrefilmen. Auch Bongs Cannes-Beitrag OKJA aus dem Jahr 2017 formuliert unter der spektakulären Oberfläche deutliche Kritik an zeitgenössischen Phänomenen wie Massentierhaltung und genetisch veränderten Lebensmitteln.