Der Alltag ist manchmal zu gewöhnlich. Da ist es doch geradezu eine Erleichterung, dass die Serienlandschaft immer größer wird und wir auf die unterschiedlichsten Weisen –  klassisches lineares Fernsehen, Streamingdienste oder Mediatheken – unserem Leben entfliehen können. Das FILMFEST MÜNCHEN präsentiert auch 2019 neue deutsche Formate und stellt in einer Kooperation mit dem Seriencamp spannende internationale Produktionen vor.

Leben im Exzess hat immer eine große Anziehungskraft. Jeden Moment ausschöpfen, nur nicht an morgen denken. In dem Bestseller von Virginie Despentes geht es um einen abgebrannten Typen, der genau nach diesem Prinzip seine Tage verbringt. Heimatlos zieht der Titelheld Vernon, ein ehemaliger Plattenladenbesitzer, von Sofa zu Sofa und kommt aus dem Dandy-Teufelskreis nicht mehr heraus, oder besser wird vereinnahmt von dem Partystrudel. Das FILMFEST MÜNCHEN zeigt die ersten zwei Folgen der bildreichen Adaptation von VERNON SUBUTEX.

Auch Jaksch lässt sich gerne treiben. Der Münchner ist Ende 20 und weiß nicht genau, wohin mit sich selbst. Er ist sich nur sicher: Er will viel erleben. Dabei trifft er auf skurrile Typen, herrliche Individuen aber auch traurige Gestalten. Die deutsche Webserie FETT UND FETT, die bald auch im ZDF ausgestrahlt wird, ist wie die französische VERNON SUBUTEX-Verfilmung eine intelligente Gesellschaftsstudie.

Im Schatten solcher lebenshungrigen Menschen finden sich Ana Mari und Manolo wieder. Die regimetreue Frau und der Nichtsnutz sollen sich bei der Amerikanerin Ava Gardner anstellen lassen, um sie auszuspionieren. Denn der Franco-Regierung von 1961 gefällt das wilde Treiben der Schauspielerin gar nicht. Kurzerhand werden Ana Mari und Manolo zur Haushälterin und zum Chauffeur, und dazu noch zu einem Ehepaar. Also muss Ana Mari nicht nur mit den Unsitten ihres vermeintlichen Gatten zurechtkommen, sondern sieht auch ihre konservativen Werte durch Ava Gardners Lebensstil bedroht. Oder vielleicht gefällt ihr sogar das Dolce Vita der Oberschicht, das sie so nah noch nie gesehen hat. Die spanische Dramedy-Serie ARDE MADRID verpackt den Kontrollwahn des Franco-Regimes in einem unterhaltsamen Durcheinander mit vielen schrulligen Typen.

In der dokumentarischen Serie WU-TANG CLAN: OF MICS AND MEN können die Zuschauer Einblick nehmen in eine andere Welt: Regisseur Sacha Jenkins begleitet den legendären Wu-Tang Clan auf einer Reise durch seine Geschichte. Die Band hatte Anfang der 1990er das Musikgenre Hip-Hop revolutioniert. Neben ihren experimentellen Beats und schräg humorvollen Texten etablierten sich die Clanmitglieder schnell als Stilikonen der Szene – als Künstler und Businessmen in einem.

Businessman im negativen Sinne ist auch der Familienvater Manny in DARK MONEY. Das Leben der Mensahs wird zerrüttet als Sohn Isaac gesteht, während eines Projekts von einem Hollywoodregisseur missbraucht worden zu sein. Patriarch Manny beschließt jedoch den Täter nicht anzuzeigen, sondern akzeptiert stattdessen eine hohe Summe Schweigegeld. Die verschuldete Familie braucht das Geld, aber die Risse, die diese Entscheidung hervorbringt, kann man mit Geld nicht kitten. Ein hochaktuelles Thema, das die britische Serie spannend und feinsinnig thematisiert.

Wie viel ist ein Leben denn eigentlich wert? Dieser Frage begegnet der Strafverteidiger Friedrich Kronberg auch in der dritten Staffel von SCHULD NACH FERDINAND VON SCHIRACH. Er steht einer Frau bei, die wegen Kindstötung angeklagt ist. Außerdem tritt ein alter Freund wieder in sein Leben, dessen Depression Kronberg dazu bringt, seine eigenen Entscheidungen kritisch zu betrachten. Das FILMFEST MÜNCHEN zeigt drei Folgen der neuen Staffel: „Der Freund“, „Der kleine Mann“ und „Einsam“.

Leben zu schützen, versucht auch das Team um Dr. Nancy Jaax in THE HOT ZONE – TÖDLICHES VIRUS. Nachdem bei Schimpansen in Washington D.C. das Ebola-Virus festgestellt wird, muss schnell gehandelt werden, die hochansteckende Krankheit kann von den Affen nämlich auch auf Menschen übertragen werden. Hochkarätig besetzt mit Julianna Margulies (THE GOOD WIFE) als unerschrockener Militärwissenschaftlerin und Liam Cunningham, Davos aus GAME OF THRONES, sowie Robert Sean Leonard, bekannt aus DER CLUB DER TOTEN DICHTER und DR. HOUSE, bleibt die National Geographic Serie beängstigend spannend bis zur letzten Minute.

Nach so viel Spannung, braucht man auch wieder Entspannung, sozusagen eine Oase, in die man sich zurückziehen kann. Die findet man manchmal, wenn man andere Kulturen kennen lernt, seinen Horizont erweitert oder einfach nur lebt. Bisweilen funktioniert das aber auch nicht, wie die zweite Staffel von DAS INSTITUT – OASE DES SCHEITERNS einmal mehr unter Beweis stellt. Die Belegschaft des deutschen Sprach- und Kulturinstituts in Kisbekistan hat wieder alle Hände voll zu tun. Die Bewohner von Kallalabad davon zu überzeugen, wie toll Deutschland ist, gelingt ihr allerdings nicht so recht. Die Workplace-Sitcom über das Team um Institutsleiterin Dr. Eckart ist eine politisch unkorrekte Satire über den Clash zwischen arabischen und europäischen Kulturen und wurde 2018 mit dem Deutschen Comedy-Preis in der Kategorie „Beste Innovation“ ausgezeichnet.

Für Fans die Serien am liebsten am Stück genießen zeigt das FILMFEST MÜNCHEN dieses Jahr auch zwei Formate als Binge-Event – mit jeweils mehr als vier Stunden Projektionszeit. In DIE NEUE ZEIT – einer Produktion von Lars Kraume zu „100 Jahre Bauhaus“ – blickt August Diehl als Walter Gropius auf sein Leben zurück. Als ihm eine Journalistin vorwirft, Frauen im Bauhaus immer unterdrückt zu haben, schildert er seine Begegnung mit der Künstlerin Dörte Helm. WEST OF LIBERTY ist dagegen ein packender Thriller über den ehemaligen Doppelagenten Ludwig Licht. Der verbringt nun seine Tage am liebsten in einer Kneipe in Kreuzberg. Doch dann hat sein Ex-CIA-Kollege GT einen Auftrag für ihn: Er soll die Sprecherin von „Hydraleaks“ beschützen, die Zeugin eines Dreifachmordes wurde. Und dazu noch den untergetauchten Gründer des Whistleblower-Netzwerks finden. Eine packende Suche über die Grenzen Deutschlands hinaus beginnt. Die Thriller-Serie mit hochaktuellem Bezug basiert auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Engström und ist u.a. mit Wotan Wilke Möhring als Licht und Lars Eidinger als Hydraleaks-Chef Gell prominent besetzt.